3. Basistherapie – Medikamentöse Therapie
Autoren: M. Raithel, W. Taumann
Ist mittels Karenzmaßnahmen und nach Verwendung von hypoallergenen Kostformen kein zufriedenstellender Rückgang der Beschwerden zu erreichen, wird die medikamentöse antiallergische Basistherapie mit Therapieprinzipien wie Mastzellstabilisatoren sowie neuere und ältere Antihistaminika eingesetzt. Diese Indikation für eine antiallergische Effektorzellstabilisierung ergibt sich auch dann, wenn der Patient gegenüber mehreren Allergenen sensibilisiert ist, also oligo- oder polyvalente Allergien vorliegen, und wenn das identifizierte Antigen nicht komplett eliminiert wird oder eliminierbar ist (wie z.B. bei Schimmelpilzen), oder wenn das Antigen nicht identifiziert wurde [4,7,16]. Eine exakte Ermittlung des symptomauslösenden Allergens scheitert nicht zuletzt häufig an den erforderlichen Kosten und dem zeitlichen Aufwand für eine zielführende Diagnose mit Hilfe von mehreren Austestungen von in Frage kommenden Allergene am Patienten oder an der Darmbiopsie.
3.1 Mastzellstabilisatoren
3.1.1 Dinatriumcromoglycinsäure
Die medikamentöse Therapie der NMA wird zunächst mit dem seit 1965 bekannten Mastzellstabilisator, der Cromoglycinsäure, begonnen. Diese Substanz führt über eine Reduktion der Mediatorfreisetzung nicht nur an Mastzellen, sondern auch an Eosinophilen und anderen Immunzellen zu einer Blockade der allergischen Reaktion. Dies bewirkt eine Reduktion der Darmpermeabilität, der Antigenaufnahme, der Immunkomplexbildung und schließlich über weitere Mechanismen ein Abklingen der allergischen Symptomatik [17,18]. Da dieses Medikament nicht relevant resorbiert wird und daher nur topisch am Magen-Darmtrakt bzw. an den Schleimhautmastzellen wirkt, ist die Nebenwirkungsrate extrem gering. Sein bevorzugter und häufigster Einsatzbereich ist daher die lokale gastrointestinale Allergie vom Grad I sowie Reizdarmbeschwerden, Colitis ulcerosa, eosinophilen Gastroenteritiden und Atopien [29,30]. Bedeutsam ist, dass nicht alle Patienten auf ein Behandlung mit Cromoglycinsäure ansprechen aufgrund unterschiedlich empfindlicher Mastzelltypen, verschiedener Mastzellunterarten (Bindegewebsmastzelle, Schleimhautmastzelle) und verschiedener Reaktionsorgane. Diese heterogenen Ergebnisse führten dazu, dass die Cromoglycinsäure nicht generell von den Leitlinien für alle Patienten empfohlen wird. Sie stellt aber eine im individuellen Fall stets zu prüfende einfache und nebenwirkungsarme Therapieform dar.
Die Cromoglycinsäure wird vor den Mahlzeiten in 3 bis 5 Dosen pro Tag verabreicht, wobei besonders wichtig ist, dass die Dosierung langsam ansteigend bis zu maximal 2g/Tag oder 30 – 40mg/kg Körpergewicht gesteigert wird bis die volle gastrointestinale Wirksamkeit erreicht wird. Werden bei Dosen über 2g/Tag keine Therapieeffekte erkennbar, liegt entweder ein für DNCG nicht-sensibler Allergiemechanismus (z.B. Typ IV-Allergie, Zytokine) oder eine Nebenwirkung bzw. eine Intoleranzreaktion auf diese Säure vor (z.B. im Rahmen einer NSAID-Intoleranz) vor. Das individuell unterschiedliche Therapieansprechen bei NMA führt je nach untersuchtem Patientenkollektiv zu Remissionsraten zwischen 40 – 90% [4,17,18]. Ein Therapieversuch sollte mindestens über 2 – 4 Wochen mit ausreichend hoher Dosierung durchgeführt werden, um über die Wirksamkeit Aussagen treffen zu können. Für den Gastroenterologen ist erfreulich, dass gerade die abdominelle Symptomatik mit Diarrhoen, Bauchschmerzen oder Blähungen bei NMA mit einem ca.75% Therapieansprechen sehr gut zu beeinflussen ist, während andere Symptome außerhalb des Darms wie Migräne, atopische Dermatitis oder die chronische Urtikaria mit einer oralen Cromoglycat-Therapie als nur ungenügend beeinflussbar gelten [4,18].
3.1.2 Ketotifen
Eine gewisse Dämpfung der Aktivität von Basophilen, Eosinophilen und Mastzellen erreicht man auch mit dem Ketotifen. Hier ist zu berücksichtigen, dass Ketotifen systemisch resorbiert wird und wie ältere Antihistaminika sedierende Effekte beinhaltet. Dies ist auch der Grund, weshalb die Behandlung in einschleichender Dosierung, vor allem mit der abendlichen Einnahme, beginnen sollte. Aufgrund des höheren Nebenwirkungsprofils im Gegensatz zur Cromoglycinsäure wird Ketotifen erst dann zur Anwendung kommen, wenn mit dem Cromoglycat kein ausreichendes Therapieansprechen zu erreichen ist [17,18]. Neuerdings konnte mit dieser Substanz auch bei Reizdarmpatienten und eosinophiler Magen-Darmentzündung teilweise ein gutes Therapieansprechen gezeigt werden. Besonders hilfreich beim Reizdarmsyndrom sind neben der mastzellstabilisierenden und histaminantagonistischen Wirksamkeit dieses Präparats die sedierenden Effekte auf das enterische und zentrale Nervensystem [31].
3.2 Antihistaminika
Auf wissenschaftlicher Basis belegen zahlreiche Untersuchungen an der lebenden Darmschleimhautbiopsie (ex vivo Provokation, Mukosaoxygenation), dass die humane Darmmukosa verstärkt bei Nahrungsmittelallergikern Histamin produziert, spontan und antigenspezifisch Histamin sowie andere Mediatoren sezerniert und dass bei solchen Personen der Histaminkatabolismus über die Diaminoxidase oder Histamin N-Methyltransferase zusätzlich gestört sein kann [2,6,19]. Das Rationale für den Einsatz von Antihistaminika ergibt sich aufgrund dieser Befunde mit erhöhten Gewebehistaminspiegeln bei Personen mit NMA, was sich auch in der erhöhten Ausscheidung von Urin-Methylhistamin bei diesen Personen zeigt.
3.2.1 Neuere, nicht-sedierende H1-Antihistaminika
Die Standardindikation für systemisch wirksame Antihistaminika (z.B. Desloratadin, Rupatadin, Fexofenadin, Loratadin, etc.) sind stärker ausgeprägte Manifestationsgrade der Gastrointestinal vermittelten Allergie (Grad II – IV), wenn hauptsächlich extraintestinale Symptome vorliegen (z. B. Asthma, Urtikaria, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Rhinokonjunktivitis etc.) und die bisher genannten Therapieformen wie Allergenkarenz, Aufbaudiät, hypoallergene Flüssigkost und Mastzellstabilisatoren nicht effektiv wirksam sind. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass für den GIT wesentlich höhere Dosierungen (z.B. 2 – 4 x Tagesdosis) als für die allergische Rhino-Konjunktivitis erforderlich sind, je nachdem wie viel Histamin vom GIT freigesetzt und antagonisiert werden muss [19,20].
Antihistaminika können dabei sowohl prä- als auch postprandial gegeben werden und haben auch bei der Akut- bzw. Schockbehandlung (inkl. bei symptomatischer Histaminintoleranz) eine Bedeutung. Zudem erfährt die Substanzgruppe der neueren Antihistaminika aufgrund ihrer zum Teil auch stabilisierenden Effekte auf die Mastzellen und Eosinophilen (z.B. Histaminfreisetzung, Leukotrien- oder Sauerstoffradikalproduktion etc.) aus therapeutischer Sicht zunehmend mehr Interesse, denn damit erscheint neben der reinen H1 – Rezeptorenblockade auch der mit der Allergie verbundene Entzündungsprozess zunehmend effektiver inhibierbar zu sein. Dies gilt z.B. für Fexofenadin, Rupatadin und Desloratatdin, bei denen mittlerweile der Nachweis einer Inhibition der Sekretion von eosinophilen Granulocyten, der Expression des Adhäsionsfaktors ICAM-1 oder der Freisetzung von Arachidonsäuremetaboliten erbracht wurde [16,20,21]. Diese modernen H1-Antagonisten sind ohne kardiales Nebenwirkungsrisiko, beinhalten keine sedierenden Effekte und überzeugen durch einen raschen Wirkungseintritt.
3.2.2 Ältere, sedierende Antihistaminika
Im Gegensatz zu neueren Antihistaminika, die im Allgemeinen nicht-sedierend sind und auf ein Mehrfaches der Tagesdosis erhöht werden können, werden ältere Antihistaminika (z.B. Clemastin, Dimetinden, Doxepin) systemisch resorbiert und beinhalten sedierende Effekte. Der sedierende Effekt ist dann von Vorteil, wenn komplizierend neben der NMA, oder damit assoziiert, Unruhezustände, Angststörungen oder eine erhöhte psychomotorische Konstitution, somatoforme Störungen, Juckreiz, Schlafstörungen oder begleitende depressive Episoden etc. vorliegen. Dies ist deshalb erwähnenswert, da eine hohe Ko-Morbidität bei NMA mit psychischen Erkrankungen besteht und weil psychosomatische und somatoforme Störungen ebenso wie die NMA zunehmen.